Es gibt nichts Komplizierteres als das Einfache. Friedrich II.* schrieb um 1245 in seinem Buch über die Kunst, mit Vögeln zu jagen, einen für die damalige Zeit revolutionären Satz:
„Ich beschreibe die Falken, wie sie sind.“ Irene Sigrist sagt nun, wenn sie überhaupt etwas zu ihren Bildern sagt, nicht: „Ich male die Bäume, wie sie sind“, sondern – das ist typisch für sie – „Ich male die Bäume, wie ich sie male.“ So gesehen, ist sie von entwaffnender Eigensinnigkeit.
Sie sagt weiter, und auch das ist typisch für sie: „Ich male nicht für die Kunst, ich male für die Menschen.“
Irene Sigrist malte Blumen.
Man denkt sich ja nichts, wenn man Blumen schenkt, aber im Grunde genommen verteilt man da einen Strauss von bunten Fortpflanzungsorganen.
Irene Sigrist malte Bäume. Wenn Sie also glauben, sie sähen hier Bäume, dann sind diese Bäume Ihr eigenes Werk.Baumbilder: Es gibt nichts Komplizierteres als das Einfache.
Wenn Sie sich umsehen und bei diesem Umsehen Ihr eigenes Bild von den Bildern von Bildern von Bildern von Bäumen machen, dann haben Sie das Prinzip erfasst.
Robert Roos, Luzern
* „De arte venandi cum avibus“ (Über die Kunst, mit Vögeln zu jagen), Friedrich II. (Staufer, Deutscher Kaiser von 1220 bis
1250)